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Klima-Oper bei Autokonzern uraufgeführt

"The Egg Musher": Oper des deutsch-amerikanischen Komponisten Stefan Hakenberg thematisiert die Umweltveränderungen bei den Audi-Sommerkonzerten

Ingolstadt (ddp-bay). Auf der Rückseite des Programmflyers für diesen Opernabend prangt eine der teuersten Limousinen des Audi-Konzerns. Darunter, klein gedruckt, die Verbrauchsdaten: Stattliche 21,4 Liter Sprit im Stadtverkehr jagt diese Karosse durch ihren durstigen Motor, außerorts immerhin noch 10,8 Liter. Kohlendioxid-Emissionen im kombinierten Fahrbetrieb: 353 Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Die Europäische Union strebt bis 2010 an, den durchschnittlichen CO2-Ausstoß aller neuen Pkw auf 120 Gramm zu senken. Denn das unsichtbare Gas, das bei der Verbrennung fossiler Treibstoffe entsteht, schadet dem Klima.

Und genau darum geht es auf der Bühne des "Museum mobile" im Ingolstädter Audi-Forum. Im Rahmen der von dem Autokonzern organisierten "Sommerkonzerte" wurde hier am Donnerstagabend der Opern-Einakter "The Egg Musher" (Der Eierhändler) des deutsch-amerikanischen Komponisten Stefan Hakenberg uraufgeführt. Thema: Der Klimawandel in Alaska. Die von Menschen verursachte Erderwärmung, sagt Hakenberg, sei bisher in der Kultur zu wenig präsent, obwohl die ins Haus stehenden gravierenden Umweltveränderungen alle Lebensbereiche beträfen.

Die Egg Musher waren geschäftstüchtige Abenteurer, die frische Hühnereier aus Kalifornien mit Schiff und Schlittenhunden nach Dawson am Yukon brachten, um sie dort für viel Geld an Goldsucher zu verkaufen. 240 Kilometer südlich des Polarkreises konnten nämlich wegen der Kälte keine Hühner gehalten werden. Der ausdrucksstarke Bariton Robert Koller, Hauptakteur des Abends, schlüpfte mal in die Rolle eines Egg Mushers, mal in die Gestalt des Bürgermeisters von Dawson City im Jahre 2050. Der glatte Kommunalpolitiker schickt sich an, ein Denkmal für den letzten Egg Musher der Goldrauschzeit einzuweihen.

Koller besingt als Eier-Importeur mit Pelzmütze und dickem Mantel die gefährliche und Strapazen reiche Fahrt durch die Wildnis Alaskas, aber auch die Schönheit der winterlichen Landschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts. Damit ist es im Jahr 2050 längst vorbei. Der Yukon ist das ganze Jahr über eisfrei. Und Dawson hat sich von der kalten Einöde in eine Ganzjahres-Destination für Touristen, aber auch Klimaflüchtlinge aus den USA, verwandelt. Aus der Katastrophe wird Profit geschlagen.

Stefan Hakenberg, Schüler des renommierten deutschen Komponisten Hans Werner Henze, erzählt seine Geschichte mit viel melodiösem Schmelz, Witz und einem Hauch von Melancholie. Seine Musik ist über weite Strecken der Tonalität verpflichtet, was harte Akkordreibungen und ungewöhnliche Klangeffekte nicht ausschließt. Den Auftrag für "The Egg Musher" bekam Hakenberg von dem Salzburger Cimarrón-Ensemble, das sich der Aufführung "ambitionierter" Werke des neuen Musiktheaters verschrieben hat. Das kleine Orchester besteht nur aus Violine, Flöte, Gitarre und diversem Schlagwerk.

(...)

Hakenbergs vom Publikum heftig beklatschte Kammeroper hat eine hübsche Pointe. Weil ein weltweites Verbot der Verfeuerung fossiler Brennstoffe die Erdgasleitungen aus Alaska nach Süden nutzlos gemacht hat, will der Bürgermeister die letzten Gletscher seiner Region künstlich abschmelzen, um deren Wasser für gute Dollars durch die Gaspipelines zu transportieren. "The time to invest is now!", ruft der Bürgermeister zu einem heftigen, finalen Orchesterschlag. Die Aufforderung könnte man auch als subtile Botschaft an die Autoindustrie des Jahres 2007 verstehen. Jetzt in die Entwicklung sparsamer und klimafreundlicher Autos zu investieren, bevor es zu spät ist.

(Georg Etscheit, ddp, 2007)


Stefan Hakenberg, gebürtiger Rheinländer mit Wohnsitz in Alaska, hat eine Art Klondike-Epos geschaffen, musikalisch vielseitig, für den Texttransport hilfreich und doch frei genug, um zu bebildern, zu dramatisieren oder die passende Atmosphäre zu schaffen für diesen winterlichen Leidensweg eines kalifornischen Eierhändlers, der in Alaska sein Glück versuchen will. "The Egg Musher" ist ein präzise gestaltetes, von Michael Kerstan in der gebotenen Kargheit stimmig inszeniertes Erzählmusiktheater, (...) das auch noch ein bisschen mit Klima und Natur zu tun hat.

(Helmut Mauró, Süddeutsche Zeitung, 2007)


Stefan Hakenbergs "The Egg Musher" (Libretto von Michael Kerstan (...)) erzählt auf zwei Ebenen von einem Eierhändler, der sich um 1900 quer durch die amerikanische Wildnis kämpft, um in Dawson City mit seiner Ware ein großes Geschäft zu machen. 150 Jahre später gibt es in Dawson City andere Probleme mit der Trinkwasserversorgung und drastischen klimatischen Veränderungen. Hakenbergs Stück ist relativ konventionell gearbeitet, bietet auch arienähnliche Abschnitte und gelegentlich wird man von der kraftvoll-farbigen Musik mitgerissen. Auch wenn hier manches etwas aufgesetzt schien, war man doch über weite Strecken emotional bewegt, etwa wenn vom Leiden des Eierhändlers in Eis und Schnee die Rede war.

(Heinz Zettel, Donaukurier, 2007)


Hakenberg Opera Premiers in Germany

Juneau resident and German American composer Stefan Hakenberg is making waves in the German press for having written the first opera about climate change, "The Egg-Musher."

The work premiered July 12, at the AUDI summer concert series in Ingolstadt, Germany. Hakenberg received a grant from the Juneau Arts & Humanities Council, which helped him to travel to Germany and work on his opera.

Hakenberg is a founder of the local contemporary music organization, CrossSound.

The opera is in two acts.

The first act takes place in Dawson City at the height of the Gold Rush and tells the story of the last "egg musher" (based on Jack London's story The One Thousand Dozen) who brought eggs by ship and dog sled from San Francisco to Dawson City to sell them there for gold.

Eggs were a part of the miners' breakfast culture; however, chickens could not be kept in the Klondike because of the cold. The second act is set in the year 2050. The newly elected Mayor of Dawson reveals a monument to the last Egg-Musher.

Climate change has progressed, and the natural gas pipeline that runs through Alaska and Canada now serves to bring water from the melting glaciers to the south of the United States where there is a water shortage.

UAS's inclusion of an arts component in their 2006 Pacific Rim Forum on "Energy and Environment," for which they invited director and writer Michael Kerstan and Hakenberg, helped give shape to early drafts of the libretto and Hakenberg's thinking about climate change.

The opera will be performed in Germany by the ensemble company El Cimarrón, who are currently scheduled to perform in Juneau in the spring.

The performance will be presented by CrossSound with help from the Juneau Arts & Humanities Council.


"The Egg Musher"
Erste Oper über den Klimawandel

Klima: Der Wandel betrifft alle Lebensbereiche.

INGOLSTADT - Der deutsch-amerikanische Komponist Stefan Hakenberg hat die erste Oper über den Klimawandel geschrieben. Das einaktige Werk soll während der Audi-Sommerkonzerte am Donnerstag (12. Juli) in Ingolstadt uraufgeführt werden. "Der Klimawandel ist eines der ganz großen Probleme unserer Zeit. Man muss dies wissen und sich künstlerisch damit auseinandersetzen", sagte Hakenberg. "In meiner Oper geht es mir vor allem um die Darstellung des Wandels, der alle Lebensbereiche betrifft", erläuterte der 46-Jährige. Der gebürtige Wuppertaler ist Schüler von Hans Werner Henze und lebt in Alaska.

Die Kammeroper trägt den Titel "The Egg Musher" und besteht aus zwei ineinander verschachtelten Ebenen. Auf der ersten, die Ende des 19. Jahrhunderts zur Zeit des Klondike-Goldrausches spielt, wird das abenteuerliche Leben der Egg-Mushers beschrieben. Das waren hartgesottene Männer, die per Schiff und Hundeschlitten Hühnereier von San Francisco nach Dawson City an der Mündung des Klondike River in den Yukon brachten, um sie dort gegen Gold zu verkaufen. Eier gehörten für die Goldgräber zur Frühstückskultur, Hühner konnten wegen der Kälte am Klondike aber nicht gehalten werden.

Wasser fließt durch Erdgaspipelines

Die zweite Ebene der Oper spielt im Jahre 2050. Der Bürgermeister von Dawson enthüllt ein Denkmal für den letzten Egg-Musher. Der Klimawandel ist schon weit fortgeschritten, und die Erdgaspipelines, die quer durch Alaska und Kanada geplant werden, dienen dazu, Wasser von den schmelzenden Gletschern in den Süden der USA zu bringen, wo Wassermangel herrscht. "In der Oper geht es vor allem um den Verlust von Landschaft, Raumgefühl, Heimat. So vieles auch an Kultur wird mit dem Klimawandel verloren gehen. Aber auch Neues wird entstehen, wenn etwa Klimaflüchtlinge aus anderen Teilen der Welt die höheren Regionen besiedeln", sagte der Komponist.

In Alaska könne man den Klimawandel schon heute hautnah erleben, sagte Hakenberg. Selbst hoch im Norden würden die Gletscher schmelzen. Au�erdem sei die Küste der Erosion ausgesetzt, seit das Meer nicht mehr so stark zufriere. Auch das traditionelle Schlittenhunderennen, der "Iditarod", das alljährlich im März von Anchorage nach Nome führt, sei durch mangelnden Schnee beeinträchtigt.

Hakenbergs Oper wird (...) von dem 1999 gegründeten Salzburger El Cimarrón Ensemble aufgeführt. Die Besetzung besteht aus Schlagzeug, Gitarre, Geige, Flöte sowie einer Bariton- und einer Sopranstimme. Der Bariton Robert Koller übernimmt die Rolle des Egg-Mushers und des Bürgermeisters von Dawson, während die Sopranistin Ran Seo der Natur eine Stimme gibt.

Das Textbuch schrieb Michael Kerstan, der seit 1983 ein enger Mitarbeiter von Hans Werner Henze bei mehreren musikpädagogischen Projekten war. Der 81-jährige Henze lebt in Italien. Er gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten.

Hakenberg: "Zweischneidige" Angelegenheit

Dass die Klima-Oper ausgerechnet bei einem Autokonzern uraufgeführt wird, ist für Hakenberg eine "zweischneidige" Angelegenheit. Einerseits habe ihm die Kulturabteilung des Konzerns freie Hand bei seiner Oper gelassen. Andererseits sei die Tatsache, dass er quasi direkt einem Unternehmen zuarbeite, schon etwas anderes als ein privates Kultursponsering.

Hakenberg stammt aus Wuppertal und studierte zwischen 1985 und 1989 an der Kölner Musikhochschule bei Henze Komposition. 1992 schrieb er zusammen mit Schülern in Köln seine erste Oper "Der Kinderkreuzzug". 1994 übersiedelte er in die USA und promovierte an der Harvard Universität. Heute lebt er in Juneau, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Alaska. Sein besonderes musikalisches Interesse gilt der Verschmelzung des klassischen europäischen Instrumentariums mit Instrumenten anderer Kulturen.

(Georg Etscheit, ddp, 2007)