A Gentle Giant, Stefan Hakenbergs neue Komposition für sinfonisches Blasorchester, wurde durch John Coltranes „Giant Steps” angeregt. Der hintersinnige Titel („Ein sanfter Riese“) zielt dabei unmittelbar auf Idee und Formgebung des Stückes, in dem sich alles mit sanften Riesenschritten aus Terzen und Quarten bewegt. Breit flutende Melodien und groß angelegte Bewegungsverläufe innerhalb des Orchesters geben dem Stück Charakter und Stabilität; allerdings findet zwischen den weiten Schritten des Riesen immer noch viel zwergenhaft krabbelndes Figurenwerk Platz. Im Zentrum des Stückes steht eine machtvolle Kaskade, ein klingender Ton-Wasserfall, der sich aus den Höhen der Piccoloflöten bis in die Bassregion ergießt – auch das freilich demonstrativ entschleunigt und gigantisch gedehnt. Diese Hierarchie der Bewegungsverhältnisse, dieses Spiel mit unterschiedlichen metrischen Maßstäben prägt das Stück und lässt es über seine episodische Struktur hinweg wie aus einem Guß geformt erscheinen. Und wenn sich am Ende die Musik in einem gedämpften Unisono-B aushaucht, dann ist zugleich auch der Bogen zum Anfang geschlagen.

(Stefan Rütter, 2010)


Der heute in Graz wohnende deutsche Komponist Stefan Hakenberg hat sieben Jahren in Alaska gelebt. Seine neue, im Auftrag des Landesmusikrates Nordrhein-Westfalen entstandene Komposition für symphonisches Blasorchester A Gentle Giant ist von Begegnungen mit Walen auf Kajaktouren in Südostalaska inspiriert. So ist es ein Stück, in dem Momente des plötzlichen Auftauchens, der großen und weit ausladenden Gesten, der überraschenden Wendungen, des freien Flusses und der perspektivischen Tiefe, aber auch der sanften Bewegung zu musikalischem Ausdruck gefunden haben. Dieser Programmatik entsprechend fordert das Stück von den Aufführenden orchestrale Virtuosität auch in zum Teil extremen Instrumentallagen und dazu rhythmische Genauigkeit in filigranen unisoni.

(Stefan Hakenberg, 2018)